Heute ging es auf Twitter mal wieder hoch her zur “Gasdiskussion”. F4F ist natürlich richtig erregt über die EU-Pläne, Atom & Gas als klimafreundlich zu klassifizieren. Simone Peter teilt die Meinung. Zudem geht es zum Thema bei Heise weiter: Heise: Debatte über nachhaltige Energie: Wie viel Erdgas ist künftig nötig?. Hier stellt der Autor die Aussagen von “Augora Energiewende” gegen die der DUH (Deutsche Umwelthilfe). Außerdem haben Steve & Julian von der IGEMBB (einer meiner YT-Stammkanäle) ebenfalls sich zum Thema geäußert: In dem Sinne: “Wäre es nicht doch schlauer, noch eine Weile auf Braunkohle zu setzen?”.
Steve & Julian verlinken wiederum die EWG (“Energy Watch Group”) und ihre Studie “Erdgas beschleunigt den Klimawandel durch alarmierende Methanemissionen”.
Irgendwie kann es doch nicht so recht in der Wissenschaft zugehen, dass die einen sagen: “Erdgas ist als Brückentechnologie besser als Kohle”, und die anderen “Erdgas macht alles noch viel schlimmer”.
Ich habe jetzt also mal versucht, herauszufinden, wie die EWG zum Schluss “Erdgas ist 40% schlimmer als Kohle” kommt. Wenn ich nichts übersehen habe, hat das folgende Gründe:
Die EWG bezieht sich auf Howarth. Howarth weist den beobachteten Anstieg der Methan-Konzentration anhand des Anteils von C13 mit hoher Wahrscheinlichkeit dem (US-)Schiefergas / Fracking-Gas zu. Die BGR-Studie ist da zurückhaltender in der Aussage
Explizit sagt die EWG aber, dass sie an fünf Punkten die Annahmen der IEA ("Internationale Energie Agentur") für falsch hält. Zitat (Seite 7):
1. Zuweisung eines Niveaus an Methanemissionen aus fossilen Brennstoffen, das für das Jahrzehnt 2003 bis 2012 repräsentativ war, wodurch fast zehn Jahre Wachstum der
Erdgasnutzung ignoriert werden,
2. Vernachlässigung der Emissionen durch Methanverluste im Zusammenhang mit der Endverwendung,
3. Fokussierung auf durchschnittliche, bestehende Erdgasanlagen anstelle der wettbewerbsfähigsten, aber weniger energieeffizienten zukünftigen Anlagen im Bereich der
Stromerzeugung,
4. Bewertung der Klimawirkung von Methan in einem 100-jährigen Zeitraum und somit die Darstellung von lediglich einem Drittel (35%) der 20-jährigen Klimawirkung von
Methan, die für die Vermeidung von Kippunkten entscheidend ist,
5. Hervorhebung der Emissionen von durchschnittlichem Erdgas bei der Bewertung der Klimawirkung durch die Umstellung von fossilen auf andere fossile Brennstoffe, obwohl zusätzliche Erdgasmengen teurer und umweltbelastender sind als durchschnittliche Quellen.Liebe Leute, not my business, da irgendwie urteilen zu können... Wenn die EWG es "bemerkenswert" findet, dass die IPCC ("Weltklimarat") eher der IEA zuneigt:
Bemerkenswerterweise verwendet auch der Weltklimarat zumeist Werte, die mit denen der IEA vergleichbar sind., habe ich den Eindruck, dass die EWG eher isoliert da steht. Egal.
Die Kern-Aussage mit den 40% stützt sich aber auf die beiden folgenden Annahmen:
Das (im Ausbau) verwendete Gas ist Schiefergas mit der unterstellten schlechten Klimabilanz über Methan
Es werden nicht effiziente GuD-Gaskraftwerke errichtet, sondern ineffiziente Gasturbinen (hier zitiert sich der EWG-Erstautor Thure Traber selber mit einer Elsevier-Publikation "Capacity Remuneration Mechanisms for Reliability in the Integrated European Electricity Market: Effects on Welfare and Distribution through 2023", dass dies die ökonomischere Wahl sei.
Für den Fall, dass diese Annahme nicht zutreffen, also und/oder
Wir klassisches Erdgas statt Fracking-Gas (z.B. aus Russland) beziehen
Nicht Gasturbinen-, sondern GuD-Kraftwerke gebaut werden
hat die EWG ganz am Ende auch eine Grafik mit den Auswirkungen aus ihrer Sicht erstellt (Seite 30):
In der Kombination aus klassischem Erdgas und GuD sieht also auch die EWG ggü. Kohle eine
Reduktion auf 64% der klimawirksamen Emissionen.
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Ich hoffe, ich habe jetzt ein wenig aufgeklärt, wie es zu ziemlich unterschiedlichen Aussagen über Erdgas kommen kann. Ich will damit kein Urteil treffen, ob es z.B. klug ist, sich von Putin abhängig zu machen und den Kumpels in der Lausitz dafür die Arbeitsplätze zu streichen. Aber soweit meine heutige Untersuchung: “Warum behaupten 2 Parteien völlig unterschiedliche Aussagen als wissenschaftlich belegt?”.