Potentialausgleich Pflicht?

Hallo zusammen,

zu dem Thema Potentialausgleich gibt es ja an vielen Stellen viele Diskussionen, aber aus meiner Sicht leider selten was Handfestes. Vielfach wird es als Pflicht/Muss dargestellt, aber wenn es um Begründungen dafür geht, findet man eher wenig.

Konkret geht es mir um eine PV Anlage auf einem Ziegeldach ohne vorhandener Blitzschutzanlage. Gemäß VDE Link entfernt muss man da gar nichts machen, es gibt lediglich eine Empfehlung das Gestell an die Haupterdungsschiene anzuschließen.

Ansonsten habe ich nichts konkretes im Sinne einer Pflicht gefunden.

Neben dem rechtlichen Thema verstehe ich den Sinn auch nicht wirklich. Die Beispiele, wann der PA helfen könnte, erscheinen mir doch reichlich konstruiert. Auf einer Leiter stehend an das Gestell zu greifen ist mir nicht möglich, das könnte aber mit der Regenrinne oder dem Edelstahlschornstein passieren, diese sind aber auch nicht an den PA angeschlossen...

Gruß

Jürgen

Such mal im Forum, das Thema wurde hier schon mehrfach durchdiskutiert.

Hallo Jugi,

Ich habe ne Zeit lang PV Anlagen gereinigt.

Dabei hatte ich glaube ich auf einem Blechdach den Fall.

Als ich auf der Leiter war um abzusteigen habe ich gemerkt, das Strom durch mich fließt.

In meinem jugendlichen Leichtsinn habe ich mir nichts dabei gedacht.

Heute muss ich in nach hinein sagen, ich hatte größtes Glück, dass es wolkig war, anders würde ich vielleicht noch zappeln.

Gruß Felix

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Das muss allerdings nicht sein.

Solche Spannungen sind meist induziert und es ist kein Strom dahinter...

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Hallo zusammen,

ja, ich habe ja geschrieben, dass das Thema vielfach diskutiert wird. Aber aus meiner Sicht nicht wirklich mit einem klaren Ergebnis, bzw. Beleg, warum das so ist. Der einzige Hinweis ist auf die VDE (hatte ich oben verlinkt, warum auch immer der Link entfernt wurde?), wo es eben nur empfohlen wird. Trotzdem wird gerne gesagt: "Montageschienen/Gestell müssen geerdet sein". Daher hätte ich gerne mal gewusst, woher das kommt.

Gruß

Jugi

Ich hab sie nicht geerdet. Hol mir den Blitz nicht ins Haus. Dachfläche 145qm (eine Seite) und PV hat 30qm. Da ist nix in "Reichweite"

Ich hab die UK mit einem 16mm² starr direkt an der Potenzialausgleichsschiene im Technikraum angeschlossen.

Den Ansatz sich den "Blitz" nicht ins Haus holen zu wollen, kann ich verstehen, aber dabei muss man folgendes bedenken.
Wenn der Blitz in der PV bzw. am Dach einschlagen sollte, geht der definitiv immer durchs Haus - auch ohne Erdung an der UK. Denn der Blitz baut sein Potenzial über die Erde ab. Ohne Erdverbindung kein Blitz.

  1. indizierte Spannung in den Leitungen im Haus, unabhängig von der PV.
  2. Spannung in den PV Leitungen
  3. da der Blitz nicht über die PV Leitungen abgeführt werden kann (die glühen praktisch sofort weg incl. ÜSS), er sich aber definitiv über Erde abbaut, sucht der sich seine eigenen Wege vom Dach mit dem geringsten Widerstand. Das kann im schlechtesten Fall auch über die Holzkonstruktion des Dachs sein.

Gerade Punkt 3 halte ich für am gefährlichsten, aber berichtigt mich gerne, wenn ich da falschliege.
Ob die 16mm² nun einem direkten Blitzeinschlag standhält, ist natürlich auch fraglich. Bis die durch ist, wurde aber definitiv schon eine große Portion der Energie abgeleitet.
Nur wenn du einen äußeren Blitzschutz installiert hast, besteht eine reale Chance einen direkten Einschlag ohne größere "Verluste" zu überstehen.
Das funktioniert auch tatsächlich, erst diesen Sommer im Haus der Schwiegereltern live erlebt.

Du musst mindestens 2 Fälle unterscheiden, warum man erdet:

  • Blitzschutz
  • Personenschutz
Blitzschutz braucht glaube ich mindestens 16mm² und ist oft nicht nötig. Kommt sehr auf die Lage an und ob es bereits eine Blitzschutzanlage gibt.

Für Personenschutz reichen 10mm², teils wird auch von 6mm² geschrieben. Den brauchst du, wenn die Spannung im String die Schutzkleinspannung (120V DC) übersteigt. Der dürfte m.W. vorgeschrieben sein, damit man im Fehlerfall keine gewischt bekommt, wenn man auf dem Dach rumturnt. Sobald man Module als String verschaltet, wird man auch die 120V DC übersteigen. Bei Mikrowechselrichtern ohne Verstringung hingegen ist das nicht der Fall.

Hier mal ein Dokument dazu:

Dort steht auf Seite 10:

"Nach VDE 0100-410 (IEC 60364-4-41) sind zum Schutz gegen den elektrischen
Schlag und zum Schutzpotentialausgleich nach VDE 0100-540 (IEC 60364-5-
54) die leitfähigen Teile der Gebäudekonstruktion, sofern diese im üblichen Ge-
brauchszustand wie z. B. Inspektion oder Reinigung berührbar sind, mit dem
Potentialausgleichssystem zu verbinden. Potentialausgleichsleitungen sind in
unmittelbarer Nähe zu den PV-Leitungen zu verlegen, um eine Bildung von Lei-
terschleifen und elektromagnetischer Induktion gering zu halten."

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Ja, das ist in den allermeisten Fällen der gesicherte Kenntnisstand zu dem Thema - selbst bei Fachleuten…

Oliver

Da sieht man ja aber auch wieder schön die Widersprüche. Ein Dokument spricht von einer Empfehlung (sollten...), wie die VDE selbst, das andere Dokument macht daraus eine Pflicht.

Blitzschutz ist natürlich ein ganz eigenes Thema. Mein Nachbar hat eine Blitzschutzanlage mit einem großen Fangstab auf dem Dach. Ich hoffe, dass der im Fall der Fälle gewinnt. :slight_smile:

Bei den Widersprüchen sollte man verschiedene Punkte beachten:

  • Veröffentlichungsdatum der Bezugsquellen (Normen ändern sich)

  • angewendete Normen (auf welche Norm sich welche Aussage bezieht und ob diese für einen selbst anwendbar ist)

Soweit ich weiß ist beim aktuellen Entwurf der DIN VDE 0100-712 ein Potentialausgleich gefordert, wenn:

  • Bei DC Überspannungsschutz Typ 2 mind. 6mm² zur Haupterdungsklemme (0712.534.4.10)

  • Bei DC Überspannungsschutz Typ 1 mind. 16mm² zur Haupterdungsklemme(0712.534.4.10)

  • Bei einer Leitungslänge von über 10m vom Wechselrichter zur Dachdurchdringung kann ein Überspannungsschutz erforderlich sein

  • Bei der Lage der Module sollten auswirkungen von direkten Blitzeinschlägen beachtet werden -> Risikoanalyse bei PV Anlagen z.B. anhand Leitungslänge und Erdblitzdichte

  • Wenn Blitzschutz notwendig, dann VDE 0185 Reihe beachten (weitere Anforderungen)

Weitere möglicherweise anwendbare Normen, wie z.B. die DIN VDE 0100-540 sind hierbei nicht berücksichtigt - kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die VDE 0185er Reihe habe ich hierbei nicht näher berücksichtigt, die Angaben vom Link von OliverSo sollten noch soweit stimmen, wobei die genannten 6mm² für innere metallene Installationen in der DIN EN 0185-305-3 in Tabelle 10 genannt werden.

Ich habe bei mir eine Potentialausgleichsschiene in den Dachboden gesetzt, von dort dann alles mit 16mm² geerdet und im Dachboden sitzt ein DC seitiger Überspannungsschutz. Unabhängig von den Risikoanalysen kann sich z.B. die Erdblitzdichte durch den Klimawandel ändern und eine Neubetrachtung sinnvoll machen.

VG

Tok

Ich würde da noch einen weiteren indirekten Grund hinzufügen:

  • Versicherungsschutz
Und damit meine ich nicht die Versicherung der PV Anlage sondern die Gebäudeversicherung. Wenn man wegen aus irgendeinem Grund in die Beweispflicht gerät wegen z.B. einem Brand wäre es gut vorher zu wissen was die Versicherung verlangt.

Die Provinzial hat z.B. sowas drin stehen:

Gruß

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@tok Überspannungsschutz ist ja noch mal ein extra Thema. Das ist klar, dass das gefordert ist und an die PA-Schiene muss. Mir geht es nur um die PV Unterkonstruktion.

@scherheinz Wo steht das bei der Provinzial? Nach Versicherungsbedingungen sieht mir das nicht aus. Aber prinzipiell hast du natürlich recht. Wenn das in den Versicherungsbedingungen als Anforderung steht sollte man sich aber besser eine andere Versicherung suchen. Weil es dann sicher auch noch an anderen Stellen Fußangeln gibt, wo sich sich im Schadensfall aus der Haftung winden wollen.

@jugi Soweit ich weiß ist nirgends beschrieben (ohne Blitzschutz, usw.), dass man einen Potentialausgleich benötigt. In der DIN VDE 0100-712 habe ich zum Potentialausgleich nicht mehr gefunden, als ich vorher geschrieben habe. Das bedeutet zwar nicht, dass sich die Anforderung nicht aus einer anderen Norm ableiten lässt, ist aber ein guter Anhaltspunkt.

Als Beispiel: Bei dem Link von OliverSo auf elektro.net steht, dass Antennenanlagen ein 16mm² an die Haupterdungsschiene angeschlossen werden müssen - PV-Anlagen "sollten" mit einem 6mm² angeschlossen werden. Auch wenn ich nach meiner kurzen Recherche das "sollte" so mitgehen würde, stelle ich mir doch die Frage, ob hier ein 16mm² nicht sinnvoller ist, denn was bei dem Mast einer Sat-Schüssel ankommen kann, kann auch an PV-Konstruktionen landen (auch wenn es da geringfügige Unterschiede gibt). Hier muss man sich natürlich Gedanken über das Schutzziel machen, wobei die Äußeren Einflüsse da schon sehr ähnlich und die Angaben von elektro.net auch schon älter sind.

Grundsätzlich würde ich mir überlegen, was ich wie schützen möchte (Schutzziel).

Genau darum gehts. Und oft gibt es auch nicht nur ein Schutzziel. Und ob 16mm² oder 6mm², ist nahezu die gleiche Arbeit, Materialkosten spielen da keine große Rolle, Arbeitskosten sind entscheidend.

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@jugi Ich weiß es nicht mehr genau, hatte einfach mal zu diesem und anderen Themen mal rumgesucht und ein paar Screenshots gemacht.

Was ich halt immer im Hinterkopf habe ist die Beweispflicht oder eine Beweispflichtumkehr. Man muss sich ja auch nicht an die VDE Vorschriften halten aber im Fall der Fälle hat man zu beweisen dass es mindestens genauso sicher war/ist wie die Norm. Und das halte ich als Privatperson für fast unmöglich zu beweisen.

@Scherheinz ja, man kann von den VDE Normen abweichen und muss dann der Anlagendokumentation Belege (z.B. Berechnungen, usw.) beilegen, welche eine gleiche oder höhere Schutzwirkung beweisen - aber nicht erst auf Nachfrage, sondern schon bei der Anlagenplanung muss man das berücksichtigen. Das ist auch der Grund, warum sich im Normalfall jeder an die aktuell geltenden Normen hält.

Außnahmen hierzu findet man meistens bei Großbaustellen, bei denen jemand einzelne Normen unwissend nicht eingehalten hat und dann noch etwas retten will. Ein schönes Beispiel für Großbaustellen sind Flughäfen.

Abgesehen von Normen:

Schutzerdung: Wer kann ausschliessen dass die Isolation der Stringkabel im Lauf der Jahrzehnte nicht mal durchscheuert und irgendwo die Unterkonstruktion berührt. Um Stromschlag, Brand und Kriechströme auszuschliessen ist somit eine Schutz-Erdung sinnvoll.

Blitzschutz: Die Stringkabel hören bei einem Blitzeinschlag bis zum Überspannungsableiter auf zu existieren. Und alles brennbare in ihrer Nähe brennt dann auch potentiell. Darum sollte der Überspannungsableiter an der Stelle sein wo die Stringkabel ins Haus geführt werden oder zumindest bevor sie das erste mal auf brennbares Material treffen. Ein Vorteil hat die Führung durchs Kamin, weil feuerfest. Der Überspannungsableiter braucht übrigens eine Erdung damit er funktioniert.

Damit der Blitzstrom der nach Verflüssigen und damit Unterbruch der Stringkabel noch übrig ist eben nicht durch den Dachstuhl abgeleitet wird, ist es schlau die Unterkonstruktion und damit auch die metallenen Rahmen der Module blitzstromtragfähig an die Erdungsschiene anzuschliessen. 16mm² Kupfer gelten als blitzstromtragfähig, andere Metalle: mehr. Dadurch wird der Blitzstrom via Fundamenterder in die Erde geleitet und der Dachstuhl ist weder explodiert noch abgebrannt. Wer einen Gegenbeweis braucht schaue sich einen Baum an der vom Blitz getroffen wurde. Die Splitter finden sich noch in 20m Umkreis. Die Holzfeuchte verdampft schlagartig, daher die Sprengwirkung.

Also es sollte eigentlich keine Vorschriften brauchen, man darf das durchaus auch freiwillig aus Vernunftsgründen machen.

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Also wenn dein Dachstuhl die gleiche Holzfeuchte hat wie ein lebender Baum dann hast du ganz andere Probleme :wink:

Gesprengt wird da nichts aber in den anderen Dingen gebe ich dir Recht. Hab früher beruflich mit einigen Blitzschäden zutun gehabt und was mich am meisten beeindruckt hat sind NYM Leitungen die aus dem Putz fliegen und sich aufspalten wegen durch hohe Ströme verursachten Magnetfelder.

Sehen viele sicher als übertrieben an aber da sich meine PV Anlage über 3 Dächer erstreckt und somit die Erdungsleitung relativ lang geworden ist ab ich von der Gegenseite noch eine Leitung angeschlossen die an einem separaten Erdstab endet. Ich bin froh für jedes Ampere dass direkt in die Erde abfließt ohne auf die Idee zu kommen sich Richtung Haus zu bewegen trotz oder gerade wegen des Potenzialausgleichs.