Kompatibilität und Schnittstellen zwischen BMS, Heimenergiespeicher und Wechselrichter

Ich beschäftige mich seit ein paar Wochen mit dem Thema Balkonkraftwerk, Heimenergiespeicher und dynamische Stromtarife. Die Recherche war allerdings relativ mühsam, um überhaupt rauszufinden ob ein Hersteller beim Akku ein BMS mit Unterstützung für dynamische Stromtarife (in Österreich) und Netzladen anbietet. Derzeit scheint das nur Zendure zu unterstützen. Solakon One hat es zumindest angekündigt. Hab dann den Zendure gekauft, vor allem weil ich eine Eigenbastelei vermeiden wollte, aber nachdem deren Software fehlerhaft ist, mittlerweile wieder zurückgeschickt. Also dann doch wieder selber machen :confused:

Noch schwieriger tue ich mir aber bei der Recherche zur Kompatibilität und Schnittstellen zwischen BMS, Heimenergiespeicher und Wechselrichter. Daher meine Fragen:
Worauf muss ich genau achten, damit ich einen Akku und Wechselrichter so ansteuern kann, dass je nach Stromtarif Energie eingespeist oder entladen wird?
Wie setze ich ein BMS auf: ist das einfach ein Raspberry Pi mit Home Assistant und EOS?
Gibt irgendwelche Standardschnittstellen und Steckverbindungen zwischen den Geräten?

Das ist eigentlich das falsche Kapitel für diese Frage. Das Protokoll hat nichts mit dem BMS Eigenbau zu tun. Zumindest solange man kein eingenes Protokoll macht.

Üblich ist das “Pylontech kompatible” Protokoll auf CAN. Das kommt ursprünglich von SMA und taugt meiner Meinung nach nicht viel. Aber es wird von den meisten 48V Akkus und WR genutzt und funktioniert so lala. Darüber hinaus gibt es noch eine Version auf RS485 welche aber auch nicht besser ist. Bei Hochvolt Akkus ist alles proprietär.

Die Sache mit den Stromtarifen hat noch weniger mit dem BMS zu tun. Das BMS läuft auf einem Mikrocontroller und kann den Lade oder Entladetrom selbst gar nicht regeln. Maximal eine Grenze an den Wechselrichter oder MPPT weitergeben welche dann den Strom entsprechend begrenzen.

Käufliche Produkte zum netzdienlichen Betrieb wirst du bis auf Weiteres nicht bekommen. Wenn du dich mit einer eigenen Software befasst, merkst du rasch daß alle Funktionen spezifisch für deine eigene Installation sind. Es ist derzeit entweder etwas für Akku Schwarmkonzepte oder aber für Frickler welche das für sich selbst machen. Beide sind aber politisch noch nicht wirklich erwünscht, wobei ihr in Österreich ja mit den Energiegemeinschaften schon deutlich weiter sind als wir in DE. Da macht es zumindest mal finanziellen Sinn, in genau der Viertelstunde die passende Menge einzuspeisen, welche der Partner aus der Energiegemeinschaft aus dem Netz entnimmt.

Wenn du dich weiter damit beschäftigen möchtest, kann ich dir das ESS Handbuch von Victron empfehlen. Bei Victron läuft Venus als angepasstes Linux wo du root kriegst und auch eigene Programme laufen lassen kannst. Ein vorbereitetes Skript für dynamische Tarife gibts von Victron unter dem Namen DESS. Quelltexte auch von Venus sind auf Gitlab. Ich habe aber auch mein eigenes Skript laufen, da eben ziemlich Installationsspezifisch. Welche Batterie und welches BMS dann dran sind ist dem Gesamtsystem eigentlich wieder egal solange es vom ESS mit oder ohne eigenen zusätzlichen Code unterstützt wird.

@Carolus sucht uns sicher ein passendes Kapitel zum verschieben des Themas aus.

Open Source, in dieser Hauptkategorie?

Danke Janvi erstmal für die ausführliche Antwort.

Ich bin selber Software-Entwickler und den Softwareteil kann ich noch überblicken. Von daher ist es für mich mehr eine Elektronik-Frage, der jeweiligen Geräte und ihrer Stecker, Schnittstellen und Protokolle auf Hardware-Ebene. Normalerweise kenn ich das so, dass irgendwo ein Webserver läuft und man per REST API Befehle hinschickt, aber ich schätze, dass es hier hardwarenaher abläuft (CAN?).

Wenn ich bei geizhals-Preisvergleich Energiespeicher eingebe, dann poppt zB immer wieder Lifepo auf. Das sind einfach 4 Zellen, die ich miteinander verschraube. Aber wie steuere ich an, wieviel Strom rein oder rauskommt? Soweit ich sehe gibts dort keinen RJ45-Anschluss (=LAN-Kabel). Das versteh ich nicht. Pylontech Powercube hat hingegen RJ45 Anschlüsse, aber wie bekomm ich da zB Netzladung rein (hardware-technisch)? Und wie sendet man Steuerbefehle? Mit CAN Protokoll? Die anderen Angebote sind wiederum proprietär, und ich befürchte das früher oder später wieder ein Bug in der Software ist und dann steht das Ding nur nutzlos rum, wie bei Zendure. Meine Hoffnung ist, dass die EOS Software da stabiler ist.

Mir gehts nur um einen 2-5kWh Speicher für meine Wohnung, d.h. ich benötige zumindest einen Server (du hast Victron erwähnt) mit 2 RJ45-Anschlüssen, einmal für die Ansteuerung des Wechselrichters und einmal zur Ansteuerung des Akkus?

ESS Handbuch

Werd ich mir mal durchlesen, danke.

Ja, das ist die grausame Welt ausserhalb von Software. Die 4 Zellen sind ein Autoakku, und die Last oder ein Ladegerät bestimmt den Strom.

Das BMS ist nur ein Schutzwächter für den Akku. Wird oft genug missbraucht, um Kenntnisse des BMS uber den Akku an Last oder Ladegerät weiterzugeben, damit diese Das benutzen. So etwa geht das Spiel.

Die HW heisst bei Victron Cerbo GX oder Ekrano GX mit integriertem Touchscreen. Beide haben zwei CAN, mehrere RS485 undUSB. Du kannst aber auch einen eigenen Raspi nehmen der einen Tacken billiger ist und du dafür die Schnittstellen und das Gehäuse noch selbst dazu stricken musst.

Der Strom welcher in einen Akku rein oder raus fliesst, hat erst mal gar nichts mit dem Akku oder dem BMS zu tun. Klar ist, daß du bei LiFePo ein BMS brauchst, was nicht alle 4-Zeller in Temu haben. Üblich sind bei 48V Konfigurationen mit 15s oder 16s, das bekannteste BMS ist von JiKong. Zum Thema gibt es dutzende YT Erklärvideos Videos von Andys Offgrid Garage in bestem Denglisch.

Es gilt grundsätzlich: Der Strom welcher aus einer Batterie herausfliesst ergibt sich durch den Widerstand des Verbrauchers (Lampe, Heizung usw.) welcher angeschlossen ist.

Der Strom welcher in eine Batterie hineinfliesst ergibt sich aus der Stromquelle (PV Modul, Ladegerät usw.) welches angeschlossen ist.

Wechselrichter wie etwa die Multiplus sind bidirektional und können in allen 4 Quadranten arbeiten. Der Strom im Akku ergibt sich im Wesentlichen durch den Modulertrag und die Netzeinspeisung bzw. den Bezug. Die Variable und auch der Menüpunkt heisst bei Victron “Grid Setpoint”. Der Grid Setpoint ist neben allen anderen Variablen in Venus über den dbus symbolisch leicht zugänglichwas vom Konzept her letztendlich von Linux abstammt.

Das hilft dir aber nichts, weil du dir erst mal erarbeiten musst wie die Hardware eines Wechselrichterst funktioniert. Insbesondere:

  1. Wie synchronisiert der WR auf das Netz auf. Was sind Spannung, Frequenz, Phasenverschiebung und welche Folgen ergeben sich aus Differenzen für den Energieaustausch

  2. Wie stellt ein WR fest, daß das Verbundnetz ausgefallen ist während er einspeist? Das ist etwa in den Docus von Kaco schön beschrieben.

  3. Wie funktioniert ein Transferschalter und was ist der Unterschied zu einem vollwertigen ESS

usw.

Du kannst das im ersten Jahr mal alles von Hand über das Menü bedienen bis du kapiert hast wie es funktioniert. Hat bei mir auch so lange gedauert. Dann kannst du dir ein Programm schreiben was alles macht was du zuvor von Hand gemacht hast. Das spart den täglichen Blick in den Wetterbericht und nutzt den Akku bis zur letzten Wattstunde optimal aus.

Als kommerzielle Alternative zum Victron Dynamic ESS (DESS) Skript gibt es verschiedene Open Source und auch herstellerübergreifend kommerzielle Projekte wie etwa https://gbboptimizer.gbbsoft.pl/ Die sind aber so kompliziert zu verstehen und zu konfigurieren daß sie niemand haben möchte und versehentliche Käufer ähnlich ratlos sind wie du.

Danke nochmal für deinen ausführlichen Input. Du scheinst das gut zu verstehen. Meine Hoffnung war, dass das mit einem Setup von Raspberry Pi (oder Victron), irgendeiner fixfertigen Software (Home Assistant, EOS, Node-Red) und den richtigen Komponenten (kompatible Stecker, Schnittstellen, Protokolle etc.) getan ist. Soweit ich die richtig interpretiere, sind aber weder die Opensource-Lösungen, noch die kommerziellen Hersteller so weit (das Zendure-Forum geht in Beschwerden über Software-Fehler unter, Solakon hat das Feature noch garnicht). Scheinbar ist da noch sehr tiefes Verständnis von low-level Themen notwendig. Und wenn ich mir die Preise für die von dir genannten Victron Geräte anschaue, kann sich das niemals für eine kleines Balkonkraftwerk amortisieren. Ich glaube ich bin zu früh an dem Thema dran, und selbst die proprietären Anbieter brauchen noch Zeit.