Moin Zusammen,
ich möchte hier über meinen Zellenkauf via Aliexpress berichten und vielleicht kann der ein oder andere meine Erfahrungen nutzen. Kommentare sind sehr willkommen, insbesondere wenn meine Interpretationen daneben liegen...
Stand dieser Zusammenfassung 02/2022.
Kauf/Lieferung
Angepriesen wurden 8 Stück Akkuzellen als "EVE 280Ah, LiFePo4, Grade A" für am Ende stolze 1308€, inkl. aller Nebenkosten, ab Lager Polen.
Der Shop nannte sich DALY Factory Store und gehört zu DELIGREEN.
Im Shop selber war leider die Auswahlmöglichkeit für das Polenlager ausgegraut, weshalb ich den Anbieter kontaktierte und fragte, wann wieder Ware von dort verfügbar sein würde. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten und man sendete mir einen neuen Shop-Link bei dem das Polenlager dann auswählbar war. Fairerweise wurde auch darauf hingewiesen, dass die Ware gerade auf dem Weg nach Polen ist und die Lieferung entsprechend länger dauert.
Da ich mir Probleme mit Zollgebühren, Einfuhrumsatzsteuer und Versandkosten sparen wollte, habe ich im Netz nach etwaigen Problemen mit diesem Shop gesucht, nix relevantes gefunden und dann Ende November 2021 bestellt. Die Bezahlung erfolgte via PayPal.
Bis zur Lieferung hatte ich doch zwischenzeitlich arge Zweifel an meinem Handeln, habe x-mal nachgefragt, bin immer wieder freundlich vertröstet worden und der Shop hat dann von sich aus die Käufer-Schutzzeit um ein paar Wochen verlängert. Irgendwann erhielt ich einen Tracking-Link für DHL-Parcel ab Polenlager und konnte Ende Januar 2022 die Ware in Empfang nehmen. Insgesamt hat es 8 Wochen gedauert.
Zur Verpackung ist zu sagen: Top - optimal verpackt, 4 Zellen pro Karton, dicke Schaumpolster im stabilen Umkarton. Die Zellenpole waren mit roten und schwarzen EVE-Polabdeckungen abgedeckt.
Mechanische Eingangsprüfung
Vorab: Alle Zellen habe ich durchnummeriert. Diese Nummerierung ist gleichbleibend über alle Prüfungen bzw. Tests.
Abmessungen/Gewicht
Ich stelle hier eine Tabelle mit meinen Messergebnissen ein. Gemäß meinem Abgleich der Werte mit den Datenblattangaben vom Hersteller ist alles in Ordnung. Die Bauhöhe der Zellen ist hier ohne die Pole angegeben. Auch der Abstand der Pole stimmte exakt. Ebenso das ermittelte Gewicht der Zellen passt zum Datenblatt.
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Mechanische Verformung der großen Zellenflächen
Hier als Beispiel die Abbildungen der Verformung dreier Zellen mit jeweils den beiden großen Zellenflächen. Gezeigt werden hier die Zelle 3, Zelle 4 und so wie es mindestens sein sollte, die Zelle 7. Aber Achtung, es sieht ein wenig schlimmer aus als es ist, denn die Spiegelungen konnte ich leider nicht eleminieren.
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Beschaffenheit der Kontakte, Überdruckventil und QR-Code
Hier im Folgenden nur eine Beispielabbildung, da alle Zellen in diesen Kriterien so gut wie keine Unterschiede aufweisen.
- Alle Sicherheitsventile unbeschädigt, in Ordnung.
- Der QR-Code ist authentisch, gelasert, nicht gedruckt und an der richtigen Stelle.
- Die Ausführung der Pole entsprechen dem Datenblatt und sie scheinen unbenutzt zu sein.
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Entschlüsselung der QR-Codes
Alle QR-Codes wurden gescannt und entsprechen inhaltlich den gelaserten Klartextinformationen
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Abgründe tun sich auf:
- 8 Zellen aus 6 (!) Chargen (2x2 u. 4x1)
- 5 Zellen LF280, produziert März 2020, fast 2 Jahre alt!
- 3 Zellen LF280N, produziert Juni 2020, bald 2 Jahre alt!
Bei Bestellung von 8 Zellen anstelle von 2 x 4 Zellen hatte ich die Erwartungshaltung 8 Zellen aus einer Charge zu erhalten, statt dessen habe ich ein zusammengesuchtes Sammelsurium bekommen.
Elektrische Eingangsprüfung
Meßmittel: YR1035+
Die Werte der Innenwiderstände der Zellen sind für mein Verständnis sehr gut.
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Elektrische Funktionsprüfung, Ladung, Endladung, Kapazität
Meßmittel: YR1035+, Ergebnisanzeige der Elektronischen Last Atorch DL24M
Vorgehensweise:
Die 8 Zellen wurden zusammen mit dem JK-BMS „JK-B2A8S20P“ zu einem 25,6V-Akku zusammengebaut und über das BMS geladen. Die Ladung erfolgte zurückhaltend was den Strom und die eingestellte Ladeschlussspannung betrifft, mittels Labornetzteil.
- Ladeschlussspannung je Zelle: 3,55V
- Lade-Wiedereinschaltspannung: ≤ 3,30V
- Balancereinsatz: ab 3V und einer Zellendifferenz > 0,005V
- Ladestrom (abhängig davon wie mich der Netzteillüfter genervt hat): 10 – 20A
Auf den üblichen Zellenausgleich durch Parallelschalten der Zellen habe ich verzichtet. Statt dessen habe ich ab 3V Ladespannung den im BMS integrierten 2A-Balancer aktiviert. Betrachtet man, dass der Ladestrom teilweise 20A betrug, ist der Balancerstrom von 2A eher zu vernachlässigen, da in diesem Fall das Vorauseilen der Ladespannung von Zelle 3 nicht ausgeglichen werden konnte. Die Wirkung des Balancers zeigt sich also erst nach Abschluss der Ladung.
Am Ende des Ladevorgangs erreichte Zelle 3 zuerst die 3,55V, während die anderen Zellen teilweise noch bis zu 200mV entfernt waren. Das BMS hat die Ladung korrekt unterbrochen. Der Balancer arbeitete weiter und durch den Ausgleich rutschte Zelle 3 wieder unter 3,30V, so dass der Ladevorgang für kurze Zeit fortgesetzt wurde. Dieses wiederholte sich wenige Male bis alle Zellen durch den Balancer-Ausgleich oberhalb von 3,30V waren. Der Balancer arbeitete weiter und reduzierte die Zellendifferenz auf < 0,005V.
Nachdem dieser Vorgang abgeschlossen war, demontierte ich das BMS sowie die Busbars und habe nach einer Ruhezeit > 1 Stunde mit dem YR1035 ohne Last noch einmal nachgemessen:
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Jetzt folgte der Entladevorgang und die Kapazitätsermittlung. Ich habe mich bewusst gegen die Anschaffung eines ZKE-Tech-Gerätes entschieden, sondern habe mir zwei elektronische Lasten Atorch DL24M bei Ali bestellt, denn diese möchte ich später noch für andere Projekte nutzen.
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Es wurden immer 2 Zellen mit je 18A entladen; die eingestellte Abschaltspannung betrug zellenschonende 2,8V. In der folgenden Tabelle finden sich die Ergebnisse. Die dargestellten Spannungen und Innenwiderstände wurden nach dem Abklemmen der DL24 und einer Ruhezeit mit dem YR1035 ermittelt.
Die angegebenen Kapazitäten in der dritten Spalte der Tabelle entsprechen der jeweiligen DL24-Anzeige und die Werte in der vierten Spalte habe ich geschätzt.
Auf Grund meiner zurückhaltenden Lade-/Endlade-Einstellungen, d.h. niedrigere Ladeschlussspannung und höhere Entladeschlussspannung ergibt sich eine nicht genutzte Kapazität. Nach dem Studium diverser LifePo4-Lade-/Entladekurven ergab sich für mich eine durchschnittlich nicht genutzte, geschätzte Kapazität von etwa 5%. Also nahm ich an, dass die gemessene Kapazität etwa 95% beträgt, die ich dann jeweils auf 100% hochgerechnet und gerundet in der vierten Spalte dargestellt habe.
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FAZIT:
+ Alle Zellen scheinen Überkapazität zu haben.
+ Die ermittelten Innenwiderstände sind sehr niedrig.
+ Es finden sich keine Gebrauchsspuren und anhand des geringen Innenwiderstands erhoffe ich mir, dass es ungebrauchte Zellen sind.
- Es sind aus meiner Sicht ganz sicher keine Grade A-Zellen.
- Gehäuseverformungen.
- Ein Sammelsurium aus unterschiedlichen Zelltypen und Chargen.
- Zelle 3 ist im Sinne der Ausnutzung einer höheren Ladeschlussspannung ungenügend.
- Die Zellen sind alle entweder so gut wie 2 Jahre alt oder bald 2 Jahre alt.
:thumbdown: