R32 - das "Teufelszeug" bringt einen 10 Jahre in den Knast?

@geist4711

Moin,

klar... gibt aber auch gute Videos, wo bei Wartungsarbeiten an R290 Anlagen dem Monteur die Klima um die Ohren fliegt... z.B. Funkenbildung durch fehlende Erdung des Monteur etc.. Sollte nur als Hinweis gedacht sein, dass 100-300g Propan schon einiges an Schaden anrichten können... Gerade im Innenraum (eher relevant für Sole WP)

Grüße

In die Umwelt entsorgen sollte man es ganz sicher nicht, das habe ich auch versucht mehrfach klarzustellen. Leckagen kann man aber nie 100% ausschließen, auch nicht als Fachbetrieb. Man kann nur vorbeugen (Vakuum ziehen, prüfen ob alles dicht ist etc...). Deswegen mache ich mir gerne die Konsequenzen klar und versuche Vergleichsgrößen heranzuziehen um den "Impact" zu verstehen.

Bzgl. Propan - ich habe mir mal das Log-ph-Diagramm von R290 (Propan) und R32 angesehen und verglichen. Grundsätzlich spricht hier aus technischer Sicht erstmal nichts gegen R290, die Komponenten könnte man wohl relativ einfach auf R290 anpassen, das Nassdampfgebiet sieht zudem etwas schmäler aus, was ggf. noch zu einer etwas schlechteren Performance führen könnte wie bei R32. Aber grundsätzlich alles handelbar.

Das Problem sehe ich ganz klar in den Eigenschaften von Propan. Das ist ein Gas, welches leicht entflammbar ist und im Worst Case zu explosionsfähigen Atmosphären führen kann. Nehmen wir mal an, die Verbindung der Kältemittelleitung am Innengerät wäre undicht und Propan gelangt dadurch zum Innengerät / Stromanschluss. Das kann im schlimmsten Fall zu einer richtig schlimmen Explosion / Brand / Tote führen. Deswegen sehe ich Propan kritisch. Selbst wenn es sich durchsetzt – auch solche Geräte wird man nicht einfach selbst montieren dürfen. Zwar ist es weniger klimaschädlich, aber meiner Versicherung möchte ich im Zweifel nicht erklären müssen, warum meine „Klimaanlage“ explodiert und das Haus abgefackelt ist.

Kältemittel wie R32 sind schon ok, da ein möglicher Umweltschaden gering ist. Die Verordnung ist nur einfach unsinnig, insbesondere wenn gleichzeitig jeder "Depp" ein Kältespray kaufen kann, das mit R134a gefüllt ist: Kältespray auf Basis R134a

Meiner Meinung nach sollte der Umgang mit Kältemitteln - insbesondere in Hinblick auf die Entsorgung - weiterhin reglementiert bleiben. Aber man sollte die "Hemmschwelle" deutlich reduzieren und es leichter machen, die notwendige Qualifizierung zu bekommen. Momentan ist das alles nur Gelddruckerei (ich habe ein Angebot vorliegen für eine Klimaanlage über 6.5k€ - ohne Wanddurchbruch - bei Materialkosten von < 2k€). So wird es nichts mit dem Klimawandel...

Explosionsrisiko sehe ich auch als problematisch, gerade wenn dann auch viel selbst installiert wird. Und wenn da die ersten Unfälle passiert sind, kommen strenge gesetzliche Regelungen, dass das niemand in DIY machen darf. Das wäre Mist. CO2 wäre noch ein Kandidat. Wird bei Autos schon getestet.

Nicht nur getestet

unser Cupra Born hat schon R720 (CO2)

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R744 dürfte CO2 sein - und ja, gibts schon.

Bei CO2 ist man aber überkritisch unterwegs, was deutlich höhere Drücke erfordert (~ 100 - 120bar) wohl in Kombination mit hoher Temperatur (~ 120-140°C) erfordert. (Zudem würde ich auf den ersten Blick ins Log ph Diagramm vermuten, dass der Wirkungsgrad etwas schlechter sein dürfte.

Bei R32 im Vergleich ist man hingegen bei 20-30bar und Temperaturen < 50°C. Das sind komplett andere Welten.

Bei R744 (CO2) hat man in der Tat viel höhere Drücke und muss die ganzen Komponenten im Kältemittelkreislauf neu designen. Trotz GWP=1 per definitionem ist dieses Kältemittel für den zeitnahen Umstieg nicht attraktiv.

R290 dagegen liegt mit seiner Dampfdruckkurve ziemlich genau in dem Bereich, wo auch R410a, R407C, R134a und R32 unterwegs sind, da muss man nicht arg viel ändern. Der Kompressor braucht allerdings anderes Öl, wieder weg von POE-Öl und hin zu Mineralölen, also dahin, wo alte R12-Anlagen schon waren.

Heizungswärmepumpen mit R290 als Kältemittel gibt es schon zu kaufen, hier ein Beispiel einer Monoblock-Wärmepumpe zur Außenaufstellung, in der 2 kg R290 unterwegs sind. Bei Split-Geräten wird es wegen dem Mengen-Limit dann ziemlich tricky, aber wie oben schon geschrieben, hat das Fraunhofer ISE die Machbarkeit bereits gezeigt. Jetzt wird's echt Zeit, dass die R290 Split-Klimas hier auf den Markt kommen.

Wegen Brand- und Explosionsgefahr: Wenn die schon genannten Mengen-Begrenzungen eingehalten werden, dann bleibt da nur die Brandgefahr. Sobald ein Raum ein paar Quadratmeter Fläche, und damit >10m³ Volumen hat, kommt man mit Mengen um die 200 Gramm nicht annähernd an die Explosionsgrenze von Propan. Der einzige Fall, wo es kritisch wird, sind Kühlschränke. Bei einigen zehn Gramm Kältemittel-Füllmenge und typischen Kühlschrank-Innenvolumina kann man da u.U. ziemlich genau eine stöchiometrische Mischung mit dem Luftsauerstoff hinbekommen. In Kühlschränken ist bei uns meistens R600a (=Isobutan) drin, eher kein R290 (=Propan). Wenn das Kältemittel in den Innenraum leckt und dann der Schaltthermostat oder Innenlichtschalter einen Kontaktfunken macht, kann so ein R600a-Kühlschrank ziemlich ordentlich hochgehen. Hier mal ein Beispiel aus den USA, wo so ein Ding "Bumm" gemacht hat:

https://www.wptv.com/news/region-c-palm-beach-county/west-palm-beach/refrigerator-explodes-inside-family-home-in-west-palm-beach

Das passiert ab und an (ein ehemaliger Arbeitskollege von mir hatte den Fall auch mal), kommt aber selten genug vor, dass es als gesellschaftlich akzeptiertes Restrisiko eingestuft wird. Bei Split-Klimas aber nicht relevant: Wenn's nach außen leckt egal, wenn's nach innen leckt, bleibt man unter der Explosionsgrenze.

Aber auch nur, wenn sich das Gas hinreichend gut im Raum verbreitet. Da gibts viele Dinge, die man sich vorstellen kann, wo das nicht der Fall ist. Das fängt schon bei Kabel- oder Brüstungskanälen an, durch die die Kältemittelrohre gehen. In denen kann Gas ein explosives Gemisch bilden.

Bei den riesengroßen Konzernen sollte es doch kein wirkliches Problem sein, diese Technologie in den Griff zu bekommen und so ein Gerät alltagstauglich zu entwickeln. Die Autoindustrie hat es jetzt vorgemacht, dass das geht.

Ich erinnere mich an die Zeiten, wo die ersten Tintendrucker auf den Markt gekommen sind. Das war schon eine kleine Revolution, so etwas hinzubekommen. Genauso wird das hier auch gehen. Oder Tesla mit den Elektroautos. Es braucht nur einen Großen, der damit anfängt und in 3-4 Jahren gäbe es so ein Gerät. Da hab ich volles Vertrauen in die Entwicklungsingenieure.

Problem ist immer, dass kein wirklicher Wille da ist, weil es ja R32 gibt, was funktioniert und erlaubt ist. Deshalb ist auch kein wirklicher Druck da, auf R290 umzustellen.

Hier steht, bis 2030 ist kein Verbot von R32 geplant:

Da hat die Kältelobby sicherlich in ihrem Sinne gut verhandelt und Fakten geschaffen.

Nach etwas Suchen bin ich auf das hier gestoßen. Es gibt scheinbar schon die ersten R744-Wärmepumpen:

https://www.ecodan.de/fileadmin/user_upload/downloads/weitere/ME_Heatpump-Brochure_PL_DE_RZ_web72dpi.pdf

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Propan ist interessant - die Probleme damit wurden ja hier angesprochen. Sicher ist es beherrschbar, aber es bleiben halt (insbesondere wenn man das als Privatperson anwendet) immer die Restrisiken. Das sind halt bei R32 einfach andere.

CO2 sehe ich eher im industriellen Bereich, nicht aber für Kleinanlagen. Da dürften einfach die Kosten ein Problem sein. Ammoniak (R717) wäre noch so ein Kandidat, den ich für sehr interessant halte. Ist aber mit WGK2 eingstuft und hat paar andere nicht so nette Eigenschaften. Kurzum - jedes Kältemittel hat vor und Nachteile. Ein vergleichsweise hoher GWP ist nur ein Auswahlkriterium von vielen.

Sehr interessant überigens auch dieser Bericht hier:

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/377/publikationen/2016-12-05_2015_abschlussbericht_wp-mit-nat-km_final.pdf

Achja - und mal ein Lob ans Forum. Man merkt, dass hier einiges an Fachkompetenz unterwegs ist. Top!

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Bei genauerer Sichtung der Daten von CO2 (R744) ist mir erst jetzt aufgefallen, dass CO2 eine kritische Temperatur von gerade mal 31°C hat. Oberhalb von 31°C bekommt man das Zeugs also nicht flüssig. Das schien mir auf den ersten Blick erst mal eigenartig, denn wie soll dann bei über 31°C eine R744-Klimaanlage überhaupt funktionieren, wenn es keine Flüssigphase gibt...?

Nach einigem Nachlesen habe ich dann gesehen, dass der Kältemittelkondensator bei R744-Autoklimaanlagen tatsächlich nicht mehr Kondensator (im Englischen "condenser") heißt, sondern als "gas cooler" bezeichnet wird. Das Kältemittel kondensiert dort tatsächlich nicht, es kühlt ab, bleibt aber gasförmig. Das geht oberhalb von 31°C Außentemperatur gar nicht anders.

Um mit R744 zu kühlen, ist es offenbar nötig, das hoch verdichtete und auf ungefähr Außentemperatur abgekühlte Kältemittel erst einmal durch adiabatische Expansion der Gasphase so weit abzukühlen, dass man unter die kritische Temperatur von 31°C kommt. Dann bildet sich eine Flüssigphase, die man dem Verdampfer zuführen kann.

Ich habe ein Erklärvideo von Mahle gefunden, in dem ein R744-System für die Autoklimaanlage vorgestellt wird:

https://www.youtube.com/watch?v=0aEBGZMZHBY

Es bedarf da doch einiger Tricks, die man von R134a-Anlagen nicht kennt, damit das funktioniert. Bei Zeitindex 1:00 sieht man recht schön einen koaxialen Gegenstromwärmetauscher.

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@alexx - bei CO2 ist man überkritisch unterwegs, das alleine ist aber weniger das Problem, sondern eher, dass man sich dann schnell in einem Bereich befindet, wo extrem hohe Temperaturen + Druck herrscht. Auf der anderen Seite muss man aber auf sehr niedrige Temperaturen abkühlen. Hier mal ein Log-ph Diagramm, wo der Prozess eingezeichnet ist:

Quelle (mit paar schönen Erklärungen dazu): Energie Experten Netzwerk – Besonderheiten der transkritischen CO2-Kältemaschinen und Wärmepumpen

Fazit: CO2 sehe ich eher nicht für unsere Anwendungsfälle. Propan ist möglich, wäre eine Alternative mit ähnlichen Eigenschaften wie unsere derzeitigen Kältemittel - Problematik ist die Brennbarkeit. Für Außengeräte (Luft-Wasser-Wärmepumpen) jedoch sicher kein Problem - da ist Propan ja derzeit auch gut im kommen. Für Split Klimaanlagen denke ich ist die Anwendung nicht ganz so einfach. Deswegen sehe ich R32 auch erstmal für die nächsten Jahre als gesetzt. Verteufeln darf man das auch nicht - GWP ist wie ich finde halbwegs akzeptabel, insbesondere wenn man diesen in Relation zu konventionellen Heizungen etc... setzt. Zudem beabsichtigt ja niemand, bewusst R32 freizusetzen. Also nicht jede Split Klimaanlage wird irgendwann das komplette Kältemittel verlieren.

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Sehr interessanter Beitrag. Daran habe ich noch nicht gedacht. Danke dafür.
hust Da merkt man mal wieder wie gut der Lobbyismus funktioniert. hust

Ich krame dieses Thema nach einigen Monaten mal wieder hervor. Habe zwischenzeitlich ein paar interessante Links zu R744-Autoklimaanlagen gefunden.

Hier ein Dokument aus der "Ur-Zeit" (2011), als es noch so aussah, als ob R744 der alleinige Standard bei Autoklimaanlagen als Nachfolger von R134a werden könnte:

Hier noch ein paar Seiten zur Systemdarstellung eines Herstellers:

https://www.hella.com/truck/assets/media_global/1423_KI_R744_Kaeltemittel_BHS_DE.pdf

Und hier schließlich noch ein recht aktueller Artikel, wie es in der Praxis aussieht. Insgesamt scheint es bei Mercedes bei R744-Anlagen derartig große Kältemittelleckagen am Wellendichtring des Kompressors gegeben zu haben, dass man vom R744 schnell wieder weggegangen ist. Im VAG-Konzern dagegen gibt es R744 Klimaanlagen-Wärmepumpen-Kombinationen mit elektrischem (hermetisch abgedichtetem) Kompressor, die aktuell verbaut werden. Da bahnt sich aber offenbar auch ziemlich Ärger mit Leckagen an:

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