Da gibt es Geschichten wie "man bekommt den Strom manchmal fast geschenkt"
Ich habe mich in der Richtung auch schonmal informiert, als ich auf diese variablen Tarife gestoßen bin. Grundsätzlich kann man ab und zu auch mal den Strom geschenkt bekommen. Es gibt auch Stunden, in denen wird man bezahlt, weil zu viel Strom über ist, zumindest an der großen Strombörse wenn man zu MWh abnimmt. Also quasi Größenordnungen von Stromanbietern oder Industrie. Zu diesem Börsenstrompreis kommt aber immer ein Fixbetrag für die Netznutzung etc. dazu. Alleine dieser Betrag liegt schon bei über 10 ct./kWh. So richtig umsonst bekommt man also nichts, aber schon billiger als zu Normalkonditionen. Es gibt aber auch genug Zeiten in denen man über einem normalen Tarif liegt.
Ich habe den hourly cap Tariff von Awattar. Da hat man sowohl einen absoluten Deckel und kann gleichzeitig von den Preisunterschieden profitieren. Der Deckel liegt im Moment bei mir bei 27,03 Cent pro kWh.
https://www.awattar.de/tariffs/hourlycap
"WIE BERECHNET SICH DER SYNC-BONUS?
Der SYNC-Bonus ist die Differenz zwischen Ihrem gemessenen durchschnittlichen HOURLY-Preis an einem Tag und dem HOURLY-Preis, den ein Standardhaushalt am selben Tag erzielt hätte.
Beispiel:
Sie laden Ihr E-Auto in den zwei günstigsten Stunden des Tages und erzielen einen Durchschnittspreis anhand der HOURLY-Preise in Höhe von 1 Cent pro kWh (Arbeitspreis Energie). Das Standardlastprofil am selben Tag hätte einen Durchschnittspreis von 4 Cent pro kWh erzielt. Die Differenz beträgt daher 3 Cent (SYNC-Bonus), welche Ihnen vom CAP abgezogen werden!"
Das Beispiel ist alt, die Börsenpreise haben sich etwa grob verzehnfacht. Da fällt natürlich schnell etwas ins Auge, wenn man die Zahlen im Beispiel entsprechend um einen Faktor 10 anpasst: Man kann durchaus auch 30 Cent Sync Bonus bekommen. ZIeht man das vom Deckel (genannt cap auf der Awattarseite) ab, oops, bekommt man plötzlich einen echten negativen Endkundenpreis!
Und das obwohl der Börsenpreis, den man erzielt hat, 10 Cent ist, und da ja eigentlich noch etwa 14 Cent an Steuern etc. draufkommt, und der Durchschnittsbörsenpreis an dem Tag bei 40 Cent liegt.
Schon fast pervers gut der Tarif, ganz besonders, wenn man viel schieben kann. Ich mache das allerdings bisher vor allem mit Elektroautoladen, ich habe keine Batterie dafür.
Weil der Tarif so unschlagbar günstig ist, gibt es den auch nicht mehr für Neukunden.
Ich nehme an, dass sich das bei der nächsten Preiserhöhung ändern wird. Entsprechend heutige futures Preise für 2023 müsste der Cap auf 66 Cent steigen.
Allerdings nicht nur der von Awattar. Wer heute mit Futures absichert, muss als Stromanbieter mindestens den Preis nehmen, um keinen Verlust zu machen.
An der Stelle könnte ich auch mal erklären wie Futures funktionieren. Man sagt oft vereinfacht, dass da Strom vorab gekauft wird. So ganz richtig ist das nicht.
Der Käufer zahlt den Strom noch nicht und der Verkäufer erhält auch noch kein Geld. Für einen base 2023 future über z.B. eine Million kWh und 5 Cent pro kWh ist der nominelle Wert 50000 Euro. Aber wie gesagt der Käufer muss das nicht zahlen. Stattdessen hinterlegt er eine Sicherheit von z.B. 8% dieser 50000 Euro = 4000 Euro. Der Verkäufer erhält nicht nur kein Geld. Im Gegenteil er muss auch eine Sicherheit hinterlegen.
Nach jedem Handelstag wird die Sicherheitsleistung wenn nötig angepasst. Steigt der Preis auf 6 Cent, steigt die Sicherheitsleistung für den Verkäufer und er muss Geld nachschießen und zwar 1 Cent mal eine Million kWh, sprich 10000 Euro.
Dieses System hat zwei Vorteile:
1. Der Stromkäufer muss nicht tatsächlich in Vorleistung gehen und 50000 Euro auf den Tisch legen, obwohl der Strom erst nächstes Jahr geliefert wird.
2. Es gibt praktisch keine counterparty risks. Bei langfristigen Verträgen ist die Gefahr hoch, dass sich die Partei aus dem Staub macht / versucht ihren Verpflichtungen zu entkommen, die bei dem Deal Verluste macht. Beim Stromkauf für 2023 also die Partei, die sich auf 5 Cent für 2023 im Jahr 2020 eingelassen hat, z.B. EDF oder RWE oder Uniper (große Stromproduzenten). Die Sicherheitsleistung wird täglich angepasst. Kann oder will man nicht nachschießen, wird die Futuresposition zwangsweise liquidiert.
Das System hat natürlich auch Nachteile. Ganz besonders für Verkäufer von Strom in einem Markt wie dem der letzten zwei Jahre. Selbst wenn man den Strom wie versprochen zu 5 Cent liefern kann, muss man als Verkäufer in Vorleistung gehen und Riesensicherheitsleistungen hinterlegen. Das Geld kriegt man zwar später wieder, aber es greift die Liquidität an. Und wenn man dann doch nicht liefern kann, hat man echt wahnsinnige Verluste.
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Mit den Futures können sich Verbraucher und Produzenten absichern. Dafür muss man auch nicht Grundlast erzeugen oder verbrauchen. Wichtig ist, dass man am day ahead Markt einen Preis erzielt, der im Schnitt vergleichbar ist mit Grundlast, bzw. für Stromanbieter, die an Privatpersonen verkaufen, nimmt man noch peak dazu. Das Standardlastprofil entspricht etwa 3/4 base + 1/4 peak. base ist dabei das arithmetische Mittel der Preise im day ahead Markt aller Stunden des Jahres und peak das arithmetische Mittel aller Stunden zwischen 8 Uhr morgens und 8 Uhr abends.
Wie kann also Awattar so einen tollen Tariff anbieten?
Sie haben Futurespositionen für 2022 eröffnet zu z.B. 12 Cent pro kWh für base load. Der tatsächlich erzielt Preis für Baseload 2022 im day ahead Markt ist aber 25 Cent. Die Differenz erhält Awattar als Spekulationsgewinn.
Jetzt schaffen es aber die Awattarkunden Baseload zu unterbieten. Weil sie so viel Verbrauch in Zeiten mit besonders viel Wind und Sonne legen, ist der Börsenpreis für das Verbrauchsprofil der Awattarkunden viel niedriger als 25 Cent, also z.B. nur 10 Cent pro kWh.
Awattar berechnet dem privaten Kunden dann 12 Cent minus sync Bonus (15 Cent = 25 Cent minus 10 Cent), also minus 3 Cent (wo dann noch Steuern, Abgaben etc. draufkommen). Das geht, weil Awattar 13 Cent Spekulationsgewinn hat und nur 10 Cent am day ahead Markt zahlen muss, kommt also plus minus Null raus.
Wobei ganz umsonst macht Awattar das dann doch wieder nicht. Es gibt die Grundgebühr und 0,25 Cent pro kWh, die Awattar für sich nimmt. Dazu kommen noch Steuern, Abgaben etc., also zu den minus 3 addieren sich dann 0,25 Cent pro kWh eine relativ hohe Grundgebühr von 16 Euro im Monat und in meinem Fall etwa 14 Cent an Steuern und Abgaben etc.
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Futures sollen Produzenten absichern, aber da gibt es Haken. Das mit EDF und französischen AKW, die nicht liefern können, hatte ich schon erwähnt. Ist besonders fies, weil der Ausfall von 50% der französischen AKW ja mit ein Grund für den extremen Preisanstieg ist. Sprich, weil man nicht liefern kann, muss man zukaufen, und weil man nicht selber liefern kann, muss man das dann zu exorbitanten Preisen bei der Konkurrenz zukaufen.
Für PV und Wind ist der Haken, das viel Zubau die Marktwerte zerstören kann und den Abschlag gegenüber baseload in schwindelerregende Höhe treiben könnte, sprich im Extrem kostet Grundlast nen Euro pro kWh, aber man erzielt mit PV/Wind Preise von nahe Null (negative Preise wird es in Zukunft nicht mehr geben, Pv und Wind sind leicht abzuregeln, die Marktverzerrungen, die heute negative Preise erlauben, werden bald Geschichte sein).
Da könnte es in Zukunft neue Produkte geben, also z.B. einen Standarderzeugungsprofil PV Future.